Oxytocin und Trickbetrug

Paul Zak stellt fest, dass wir „als soziale Wesen besessen sind von Moralität“[1], wir legen unglaublich viel Wert auf die Vertrauenswürdigkeit anderer und sind sogar bereit, Schaden zu erleiden, um in unseren Augen unmoralisches Verhalten zu bestrafen. Aus Sicht der Spieltheorie macht uns Menschen dieses Verhalten zu einer ziemlichen Herausforderung.

Da gibt es z.B. das sogenannte „Ultimatumspiel“. Zwei in getrennten Räumen sitzende Personen nehmen an dem nur einmal stattfindenden Spieldurchgang statt. Einer der beiden bekommt z.B. 10 Dollar und muss nun dem anderen einen Teilbetrag davon anbieten. Nimmt der zweite den Teilbetrag an, so können beide das Geld mit nach Hause nehmen, lehnt er jedoch ab, so werden die gesamten 10 Dollar wieder von der Spielleitung eingezogen. Rational wäre es natürlich vom zweiten, sich mit jedem Teilbetrag zufrieden zu geben – er kennt seinen Spielpartner ja nicht einmal und ein Dollar ist besser als gar keiner. Doch weit gefehlt, üblicherweise werden vom ersten Spieler 40 bis 50% des angebotenen Betrags weitergegeben und Beträge unter 30% vom zweiten Spieler eiskalt abgelehnt.

Paul Zak ist einer jener Wissenschafter, welche die Rolle des Botenstoffs „Oxytocin“ erforschen, um dieses merkwürdige Verhalten zu erklären. Er nennt Oxytocin das „Moral-Molekül“, da die Großzügigkeit von Menschen durch erhöhte Oxytocin-Werte steigt. Oxytocin wurde vorher beim Menschen (und manchen Säugetieren) nur mit der Bindungsbereitschaft in Beziehung gebracht, es wird insbesondere beim Sex, bei der Geburt und beim Stillen ausgeschüttet.

In Experimenten wurde das Molekül über Inhalatoren verabreicht und festgestellt, dass kooperatives Verhalten z.B. in Form humanitärer Spenden damit um 50% steigen. Es gibt aber auch wesentlich einfachere Wege, Oxytocin-Werte zu erhöhen – Paul Zak nennt Massage, Tanz oder Gebet. Und noch einen Weg gibt es: Erfahre ich selbst Großzügigkeit und Vertrauen, so stimmt sich mein Körper automatisch ebenfalls auf kooperatives Verhalten ein.

In seiner College-Zeit konnte Paul Zak die Wirkungsweise von Oxytocin hautnah erfahren. Er war wieder einmal bei seinem Nebenjob an einer Tankstelle in Santa Barbara, Kalifornien. Ein Mann kommt von der Toilette auf ihn zu und zeigt ihm eine edle Silberkette, die er verpackt in einer Geschenkbox in einer Einkaufstasche hinter der Türe gefunden hatte. Etwas ratlos, was in diesem Fall zu tun wäre, erhielt Paul einen Telefonanruf – ein sehr aufgeregter Mann erzählt ihm vom Geburtstagsgeschenk an seine Frau, das er auf dem Heimweg verloren haben muss, kann es in der Tankstelle gelandet sein? Die rasche Aufklärung der Situation gibt allen dreien Anlass zur Freude: Dem ehrlichen Finder werden 200 Dollar Finderlohn versprochen, die Halskette kommt zurück zu ihrem Besitzer und Paul braucht sich keine Gedanken mehr zu machen. Leider gibt es noch einen letzten Haken – Der Halskettenbesitzer kann frühestens in einer halben Stunde hier sein und der ehrliche Finder muss schon dringend weg. Der Finder macht Paul ein unschlagbares Angebot – er gibt ihm die Halskette weiter und sie teilen den Finderlohn. Paul gibt dem Finder also 100 Dollar …. und wartet vergeblich darauf, dass die Halskette jemals abgeholt wird. Erst langsam dämmert ihm, dass er mit einem wertlosen Schmuckstück hereingelegt wurde.



[1] Zak, Paul: Trust, morality — and oxytocin, Vortrag aus Juli 2011, abrufbar unter www.ted.com